2000.1 – Halford – Resurrection
Ich lehne mich gerne aus dem Fenster und erzähle oft, ob es
mein gegenüber hören will oder nicht, dass Judas Priest die größte, mächtigste
und beste Band aller Zeiten sind. Diese Einsicht musste ich mir aber
erarbeiten. Lustiger weise habe ich diese Gottband erst in der Owensphase
kennengelernt, nach einem starken Konzert und der überragenden „98‘ Live
Meltdown“-CD. Mit den Halfordalben habe ich mich offen gesagt erst beschäftigt,
nachdem dieser mit seinem großartigen Comeback meine Welt erschüttert hat.
Technisch fast so gut wie Owens, stimmliches Charisma, wie man es kein zweites Mal
findet, dazu griffige, toll produziert Songs mit der nötigen Härte und ein
Klangbild, das absolut zeitgemäß war. Der Opener und Titeltrack, dem Schwestersong
„Painkiller“ mindestens ebenbürtig, packt mich auch 15 Jahre später noch wie
beim ersten Hören. Dieses gnadenlose Falsett, die harschen Riffs, schierer
Wahnsinn.
2000.2 – Jacob’s Dream – Kinescope
Sie kamen, siegten – und verschwanden. Jacob’s Dream haben
mit ihrem Debut fraglos einen absoluten Klassiker abgeliefert. Eigenständiger,
an einen jungen Tate erinnernder Gesang (mit dieser schönen, dezent
weinerlichen Farbe), trifft auf anspruchsvolles Songwriting, wie es typischer
für leicht progressiven US-Metal nicht sein könnte. Ich kann auf dem ersten
Album der Musiker aus Ohio keinen einzigen Schwachpunkt ausmachen, diese
Scheibe ist fraglos eines der besten Debuts aller Zeiten. Das Zweitwerk konnte
das Niveau leider nicht mehr auf volle Distanz halten, und als dann David
Taylor mit seiner überragenden Stimme ausgestiegen ist, habe ich das Interesse
an der Band verloren.
2000.3 – Rob Rock – Streets Of Madness
Ich bin das erste Mal über Rob Rock gestolpert, als ich mich
Ende der 90er mit dem Schaffen von Axel Rudi Pell beschäftigt habe. Das von
Rock eingesungene „Nasty Reputation“ gehört zu den stärkeren pellschen
Veröffentlichungen, trotzdem hatte ich erst wenig Erwartungen an das Solo-Debut,
das 2000 anstand. Als ich hörte, dass Roy Z für den Sound und das Songwriting
(mit)verantwortlich ist, musste ich aufhorchen. Dieser hat es schließlich
geschafft, Dickinson und Halford zwei großartige Comebacks zu ermöglichen. Auf
dem Album sticht neben dem genialen Cover von Abbas „Eagle“ im schweren Black
Sabbath-Groove das von mir auserwählte „Streets Of Madness“ heraus. Dramatische
Strophen, dezent an Jon Schaffer erinnerndes Riffing und ein bombenstarker
Refrain, ich liebe diese Nummer, das ganze Album, Rocks Stimme – das ist
wirklich groß!
2001.1 – Beyond Twilight – Shadowland
Ein perfekter Song auf einem perfekten Album. Diese
fünfeinhalb Minuten sind zu tiefst progressiv, ohne technisch zu sein. Sie sind
melodiös, ohne kitschig zu sein. Sie sind eingängig, ohne simpel zu sein. Das
Album wurde damals als Hybrid von Stratovarius, Candlemass und Dream Theater
angepriesen. Was wie ein absoluter Widerspruch in sich klingt, trifft doch zu.
Loben muss ich auch noch Jorn Lande, der diese Scheibe eingesungen hat, noch
bevor er in der Szene überpräsent wurde. Am Beispiel des Tracks Shadowland
sieht man, wozu die Stimmbänder dieses Mannes fähig sind. Von tiefstem Bellen
über crispe, raue Zeilen hin zu wunderschönen, warmen und absolut klaren
Melodiebögen setzt er Maßstäbe, die nur ganz wenige erreichen können.
2001.2 – Rawhead Rexx – Town Of Skulls
Die vier Schwaben waren Anfang des Millenniums für mich ein
Gegenentwurf zum typisch deutschen Metalstoff. Das hier war straight,
schnörkellos, direkt, gitarrenlastig – und wurde zu Recht mit US-Acts wie
Vicious Rumors verglichen. Es gab damals Stimmen, die in der Band einen Hype
sehen wollten, war doch der damalige Manager Horst Odermatt gleichzeitig
Chefredakteur des „Heavy, oder was!?“ und Veranstalter das „Bang Your Head
Festival“. Es gab vielleicht größere Interviews, als sie andere Newcomer
erhalten hätten, es gab vielleicht bessere Plätze im Billing – aber meines Erachtens
nach nur aus dem Grund, weil Horst total auf die Musik steil gegangen ist. Und
das absolut zu Recht. „Town Of Skulls“, das heißt hohes Tempo, schnelle Riffs
der Thorpe-Schule und ein simpler, sehr effektiver Chorus. Eine tolle Einstimmung
auf eine tolle Scheibe.
2001.3 – Tenacious D – Wonderboy
Eine Band, die es schafft, derben, platten Humor mit
hochklassigem Songwriting zu verbinden wie keine zweite. Dank Jack Blacks
Popularität hatte die Band natürlich erhebliche Vorteile auf dem Markt,
trotzdem überzeugt die Band mit ihrer Musik, nicht mit Vertriebskampagnen.
Dieser mystische, gefühlvolle Einstieg in den Song, die tolle Steigerung nach
der ersten Strophe, einfach wundervoll. Was es mir einfach angetan hat, das ist
die variable, tolle Stimme von Black, samt ihrem sicherlich durch die
Schauspielerei geprägtem narrativem Einschlag – man sollte ihn per Gesetzesbeschluss
dazu zwingen, mindestens alle zwei Jahre eine Platte einzusingen.
2002.1 – Blind Guardian – Precious Jerusalem
Ich gehöre zur absoluten Minderheit derer, die sowohl das
Frühwerk als auch die Alben nach dem Nightfall-Incident wertschätzen. „A Night
At The Opera“ ist ein Album, das ich mir erarbeiten musste. Ich habe beim
schürfen viele Juwelen gefunden – um im guardianischen Jargon zu bleiben.
Precious Jerusalem ist eines davon. Der großartige Beginn mit schroffen
Tribaldrums und orientalischem Flair, ergänzt von Kürsch-Chören, die alle
stimmlichen Facetten zeigen, zu denen Hansi fähig ist, der dann in diesen unwiderstehlichen,
verschachtelten Groove führt. Toll. Der Vorzeigemittelteil ab Minute vier.
Toll. Für mich ist nicht verständlich, weshalb gerade dieses Album schlecht
sein soll.
2002.2 – Majesty – Sword & Sorcery
Zwischenzeitlich von vielen belächelt, waren Majesty damals
für mich der Inbegriff des nationalen Undergroundmetal. Ich erinnere mich noch
genau an mein erstes Mal – mit Majesty. Es war Ende Juni 2002, ich war auf dem „Bang
Your Head Festival“ zu Gast. Es gab starke Auftritte von Jag Panzer, Titan
Force, Saxon, Candlemass und vielen anderen. Dazu über die Zeltplätze ziehende
Händler mit selbst kopierten Fanzines. Das eine, das ich als Morgenlektüre
erworben habe (den Titel weiß ich leider beim besten Willen nicht mehr),
bestand gefühlt zu einem Drittel aus Majesty-Worshipping. Eine Band, die mir
bis dahin überhaupt nichts sagte. Am zweiten Festivaltag lag die CD (die an
diesem Wochenende erstveröffentlicht wurde) in der Auslage eines
Verkaufsstandes. Allein schon aufgrund des Ken Kelly-Covers (eines seiner
stimmungsvollsten) musste ich das Album ungehört erwerben. Am Sonntag, auf der
Heimfahrt, landete das Album erstmalig im Spieler. Und ich habe mich ernsthaft
verliebt. Die Musik war weder zeitgemäß fett produziert, noch technisch stark
dargeboten oder hervorragend gesungen – aber voll mit Herzblut. Ein für mich
unvergessliches Album. Danke, Tarek!
2002.3 – Soilwork – As We Speak
Die Zweitausender markieren nicht nur den Beginn meines
Interesses für erdigere, untergrundigere Themen, sondern sie sind auch der
Zeitraum, in dem ich meine persönlichen Geschmacksgrenzen ausgelotet habe. Ich
habe die Grenzen dessen gefunden, was ich toll finde – seitdem haben sich diese
auch nur minimal verschoben. „As We Speak“ ist einer dieser Titel, der für mich
eine Grenzerfahrung darstellte, dahingehend, dass es das Maximum an „modernem“
Sound ist, das ich abfeiern kann. Kaltes, stark getriggertes Schlagzeug, viel
seichte Elektronik, gebrüllte Vocals – all das brauche ich nicht. Wenn aber der
Klargesang in der Bridge die Führung übernimmt und in einem Weltklasserefrain
mündet, dann muss ich den Song einfach mögen.
Fortsetzung folgt…
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