Dienstag, 24. Februar 2015

Mission 200x - Pt. 1

Nachdem es mir letztens großen Spaß bereitet hat, in der Musik der 90er zu schwelgen, möchte ich mir jetzt die Jahre 2000 bis 2009 vornehmen. Retrospektiv stelle ich fest, dass sich gerade in den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende mein persönlicher Geschmack stark erweitert hat. Mein Metal wurde ein Stück weit roher (ja, Undergroundfetischisten werden jetzt schmunzeln) und verlor einiges an Zucker. Der typisch europäische  Melodicmetal, der lange Jahre im Fokus meiner Aufmerksamkeit stand, fand immer weniger statt. Aber dazu im Folgenden mehr – erneut mit dem Hinweis, dass es natürlich eine absolute Unmöglichkeit ist, ein ganzes Jahr mit nur drei Songs zu fassen:

2000.1 – Halford – Resurrection

Ich lehne mich gerne aus dem Fenster und erzähle oft, ob es mein gegenüber hören will oder nicht, dass Judas Priest die größte, mächtigste und beste Band aller Zeiten sind. Diese Einsicht musste ich mir aber erarbeiten. Lustiger weise habe ich diese Gottband erst in der Owensphase kennengelernt, nach einem starken Konzert und der überragenden „98‘ Live Meltdown“-CD. Mit den Halfordalben habe ich mich offen gesagt erst beschäftigt, nachdem dieser mit seinem großartigen Comeback meine Welt erschüttert hat. Technisch fast so gut wie Owens, stimmliches Charisma, wie man es kein zweites Mal findet, dazu griffige, toll produziert Songs mit der nötigen Härte und ein Klangbild, das absolut zeitgemäß war. Der Opener und Titeltrack, dem Schwestersong „Painkiller“ mindestens ebenbürtig, packt mich auch 15 Jahre später noch wie beim ersten Hören. Dieses gnadenlose Falsett, die harschen Riffs, schierer Wahnsinn.

2000.2 – Jacob’s Dream – Kinescope

Sie kamen, siegten – und verschwanden. Jacob’s Dream haben mit ihrem Debut fraglos einen absoluten Klassiker abgeliefert. Eigenständiger, an einen jungen Tate erinnernder Gesang (mit dieser schönen, dezent weinerlichen Farbe), trifft auf anspruchsvolles Songwriting, wie es typischer für leicht progressiven US-Metal nicht sein könnte. Ich kann auf dem ersten Album der Musiker aus Ohio keinen einzigen Schwachpunkt ausmachen, diese Scheibe ist fraglos eines der besten Debuts aller Zeiten. Das Zweitwerk konnte das Niveau leider nicht mehr auf volle Distanz halten, und als dann David Taylor mit seiner überragenden Stimme ausgestiegen ist, habe ich das Interesse an der Band verloren.

2000.3 – Rob Rock – Streets Of Madness

Ich bin das erste Mal über Rob Rock gestolpert, als ich mich Ende der 90er mit dem Schaffen von Axel Rudi Pell beschäftigt habe. Das von Rock eingesungene „Nasty Reputation“ gehört zu den stärkeren pellschen Veröffentlichungen, trotzdem hatte ich erst wenig Erwartungen an das Solo-Debut, das 2000 anstand. Als ich hörte, dass Roy Z für den Sound und das Songwriting (mit)verantwortlich ist, musste ich aufhorchen. Dieser hat es schließlich geschafft, Dickinson und Halford zwei großartige Comebacks zu ermöglichen. Auf dem Album sticht neben dem genialen Cover von Abbas „Eagle“ im schweren Black Sabbath-Groove das von mir auserwählte „Streets Of Madness“ heraus. Dramatische Strophen, dezent an Jon Schaffer erinnerndes Riffing und ein bombenstarker Refrain, ich liebe diese Nummer, das ganze Album, Rocks Stimme – das ist wirklich groß!

2001.1 – Beyond Twilight – Shadowland

Ein perfekter Song auf einem perfekten Album. Diese fünfeinhalb Minuten sind zu tiefst progressiv, ohne technisch zu sein. Sie sind melodiös, ohne kitschig zu sein. Sie sind eingängig, ohne simpel zu sein. Das Album wurde damals als Hybrid von Stratovarius, Candlemass und Dream Theater angepriesen. Was wie ein absoluter Widerspruch in sich klingt, trifft doch zu. Loben muss ich auch noch Jorn Lande, der diese Scheibe eingesungen hat, noch bevor er in der Szene überpräsent wurde. Am Beispiel des Tracks Shadowland sieht man, wozu die Stimmbänder dieses Mannes fähig sind. Von tiefstem Bellen über crispe, raue Zeilen hin zu wunderschönen, warmen und absolut klaren Melodiebögen setzt er Maßstäbe, die nur ganz wenige erreichen können.

2001.2 – Rawhead Rexx – Town Of Skulls

Die vier Schwaben waren Anfang des Millenniums für mich ein Gegenentwurf zum typisch deutschen Metalstoff. Das hier war straight, schnörkellos, direkt, gitarrenlastig – und wurde zu Recht mit US-Acts wie Vicious Rumors verglichen. Es gab damals Stimmen, die in der Band einen Hype sehen wollten, war doch der damalige Manager Horst Odermatt gleichzeitig Chefredakteur des „Heavy, oder was!?“ und Veranstalter das „Bang Your Head Festival“. Es gab vielleicht größere Interviews, als sie andere Newcomer erhalten hätten, es gab vielleicht bessere Plätze im Billing – aber meines Erachtens nach nur aus dem Grund, weil Horst total auf die Musik steil gegangen ist. Und das absolut zu Recht. „Town Of Skulls“, das heißt hohes Tempo, schnelle Riffs der Thorpe-Schule und ein simpler, sehr effektiver Chorus. Eine tolle Einstimmung auf eine tolle Scheibe.

2001.3 – Tenacious D – Wonderboy

Eine Band, die es schafft, derben, platten Humor mit hochklassigem Songwriting zu verbinden wie keine zweite. Dank Jack Blacks Popularität hatte die Band natürlich erhebliche Vorteile auf dem Markt, trotzdem überzeugt die Band mit ihrer Musik, nicht mit Vertriebskampagnen. Dieser mystische, gefühlvolle Einstieg in den Song, die tolle Steigerung nach der ersten Strophe, einfach wundervoll. Was es mir einfach angetan hat, das ist die variable, tolle Stimme von Black, samt ihrem sicherlich durch die Schauspielerei geprägtem narrativem Einschlag – man sollte ihn per Gesetzesbeschluss dazu zwingen, mindestens alle zwei Jahre eine Platte einzusingen.

2002.1 – Blind Guardian – Precious Jerusalem

Ich gehöre zur absoluten Minderheit derer, die sowohl das Frühwerk als auch die Alben nach dem Nightfall-Incident wertschätzen. „A Night At The Opera“ ist ein Album, das ich mir erarbeiten musste. Ich habe beim schürfen viele Juwelen gefunden – um im guardianischen Jargon zu bleiben. Precious Jerusalem ist eines davon. Der großartige Beginn mit schroffen Tribaldrums und orientalischem Flair, ergänzt von Kürsch-Chören, die alle stimmlichen Facetten zeigen, zu denen Hansi fähig ist, der dann in diesen unwiderstehlichen, verschachtelten Groove führt. Toll. Der Vorzeigemittelteil ab Minute vier. Toll. Für mich ist nicht verständlich, weshalb gerade dieses Album schlecht sein soll.

2002.2 – Majesty – Sword & Sorcery

Zwischenzeitlich von vielen belächelt, waren Majesty damals für mich der Inbegriff des nationalen Undergroundmetal. Ich erinnere mich noch genau an mein erstes Mal – mit Majesty. Es war Ende Juni 2002, ich war auf dem „Bang Your Head Festival“ zu Gast. Es gab starke Auftritte von Jag Panzer, Titan Force, Saxon, Candlemass und vielen anderen. Dazu über die Zeltplätze ziehende Händler mit selbst kopierten Fanzines. Das eine, das ich als Morgenlektüre erworben habe (den Titel weiß ich leider beim besten Willen nicht mehr), bestand gefühlt zu einem Drittel aus Majesty-Worshipping. Eine Band, die mir bis dahin überhaupt nichts sagte. Am zweiten Festivaltag lag die CD (die an diesem Wochenende erstveröffentlicht wurde) in der Auslage eines Verkaufsstandes. Allein schon aufgrund des Ken Kelly-Covers (eines seiner stimmungsvollsten) musste ich das Album ungehört erwerben. Am Sonntag, auf der Heimfahrt, landete das Album erstmalig im Spieler. Und ich habe mich ernsthaft verliebt. Die Musik war weder zeitgemäß fett produziert, noch technisch stark dargeboten oder hervorragend gesungen – aber voll mit Herzblut. Ein für mich unvergessliches Album. Danke, Tarek!

2002.3 – Soilwork – As We Speak

Die Zweitausender markieren nicht nur den Beginn meines Interesses für erdigere, untergrundigere Themen, sondern sie sind auch der Zeitraum, in dem ich meine persönlichen Geschmacksgrenzen ausgelotet habe. Ich habe die Grenzen dessen gefunden, was ich toll finde – seitdem haben sich diese auch nur minimal verschoben. „As We Speak“ ist einer dieser Titel, der für mich eine Grenzerfahrung darstellte, dahingehend, dass es das Maximum an „modernem“ Sound ist, das ich abfeiern kann. Kaltes, stark getriggertes Schlagzeug, viel seichte Elektronik, gebrüllte Vocals – all das brauche ich nicht. Wenn aber der Klargesang in der Bridge die Führung übernimmt und in einem Weltklasserefrain mündet, dann muss ich den Song einfach mögen.

Fortsetzung folgt…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen